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1. Kapitel: Der Gedanke kommt auf

 Geplant war es als Spaß; ein lustiger Ausflug, um vor dem zweiten Staatsexamen noch etwas Abwechslung zu tanken, zudem noch extrem preisgünstig. Rainer hatte den Gedanken aufgebracht. Rainer, der seit Jahren immer mal wieder in diesen Ort fuhr, der auf ihn offenbar eine unbeschreibliche Faszination ausübte. Seines Zeichens Angestellter beim Kölner Max-Planck-Institut und mit Ingrid, der die Wohnung gegenüber gehört innig verbunden, war Rainer Stahl seit zwei Jahren praktisch unser Wohnungsnachbar. Nachdem man sich irgendwann auf einer Geburtstagsfete kennengelernt hatte, wurden die Kontakte schnell enger und wir verbrachten gemeinsam so manchen witzigen Abend, zogen durch Discotheken oder>auf die Weinblütenfeste der rechtsrheinischen Ausläufer Bonn's. Zunächst war unsere Seite dabei noch zu dritt; die beste und lustigste Wohngemeinschaft westlich von Hamburg-Altona, wie wir im Scherz zu sagen pflegten. Wir drei, das waren Thomas ,,Caschi" Casper, mit mir aus einer norddeutschen Kleinstadt ins ferne Bonn umgesiedelt, um akademische Studien zu treiben, Andreas Faxel, ob seines Nachnamens kurz ,Fax" genannt und ich, Thomas Wilke, nach vollbrachtem Studium der Rechte nunmehr Referendar am Landgericht Bonn. Fax war über das Studium zu mir gestoßen; auch er drohte irgendwann in diesem unermeßlich großen Fach zu versinken; gemeinsam hatten wir schließlich die erste Runde glimpflich überstanden. Irgendwann in dieser Zeit war aus mir dann ,,Tom" geworden, ein großer, manchmal etwas unbeholfener Norddeutscher, dessen norddeutsche Sprache Fax geduldig auf ,,südländisch" - sprich: ,,kölsch" - zu trimmen trachtete. Die Wohngemeinschaftsidee war bei Caschi und mir bereits am Anfang des Studiums entstanden, als wir in unseren kleinen Studentenbuden bei Mutter Hoffmann in Beuel - immerhin gemeinsam auf einer Etage - hausten und uns nach mehr Wohnqualität sehnten. Fax' hatte andere Beweggründe, dem Projekt beizutreten. Er war die ständigen Reibereien mit seinen Eltern leid, die in konservativer Grundhaltung das Selbstständigwerden ihres Sprößlings - noch dazu (unter dem Vorbild der älteren Schwester samt Schwager) als aktiver Sozialdemokrat argwöhnisch beäugten. Später gratulierte er sich zu dem Schritt, zuhause auszuziehen, da sich das Verhältnis insbesondere zu seinem Vater von da an stetig besserte; nicht ganz unbeeinflußt von wachsendem Studienerfolg. Zum Zeitpunkt unserer Fahrt war von dieser, mittlerweile schon romantisch verklärten ,,Gründerzeit" schon einiges auf der Strecke geblieben. Caschi hatte sich wegen einer unfreundlichen ostdeutschen Kratzbürste, die sein Herz im Sturm erobert zu haben schien, kurz nach dem deutsch-deutschen Vereinigungsprozeß als Pionier in den Osten aufgemacht, nicht ohne vorher in der Gemeinschaft eine gehörige Menge Porzellan zu zerschlagen. Eine Zeitlang sah es so aus, als ob alle Brücken dabei gebrochen wären. Mittlerweile ist der Kontakt jedoch wiederhergestellt, der zu selbiger Kratzbürste dagegen abgebrochen. So waren also nur die beiden Jungjuristen übriggeblieben in unserer geliebten ,,Ürziger Fünf", einer geräumigen dreienhalb-Zimmer-Wohnung in der Ürziger Straße Nummer Fünf in Bonn-Friesdorf. Und auch bei uns war, aus der Nähe besehen, ,,der Lack ab". Jeder ging so gut es geht seiner eigenen Wege, auch wenn immer noch einige Gemeinsamkeiten und Aktivitäten bestanden, bei denen das Duo Faxel und Wilke im Mittelpunkt stand. In diese Zeit also fiel der Vorschlag unseres Nachbarn, Spanien, das sei jetzt genau das richtige. ,,So was wie Llorett habt ihr noch nie geseh'n", leistete Rainer ,vor allem mir gegenüber, unermüdlich Überzeugungsarbeit Und er sollte nicht übertrieben haben! Nach einigen Litern Alkohol, eine meiner schwachen Seiten, war auch ich überzeugt: ,,Mir fohre noh Llorett!"

 2. Kapitel: Die große Überfahrt

,,Überlaßt die Organisation ruhig mir," hatte Rainer gesagt und sich als erfahrener Spanientourist auf die Suche nach dem ultimativ billigsten Reiseunternehmen gemacht. ,,SIEBERT-TOURISTIK" prangte auf dem stolzen, nicht mehr ganz jungfräulichen Gefährt, das uns drei Helden in südliche Gefilde transportieren sollte. Ein letzter Blick auf die ebenso großen wie abgefahrenen Reifen dieses mindestens zwanzig Jahre alten Luxusliners, dann hieß es Eintauchen in die illustre Gesellschaft der Köln-Ehrenfelder Llorett-Experten. ,,Dat iss jetz' dat fuffzehnte Mal, dat mer do hin ungerwegs sin"; die gravierende Bedeutung dieser Aussage eines Mitreisenden blieb mir, dem ,,Greenhorn" unter all diesen Profis zunächst verborgen. Fax stieg, beladen mit unserer wohlweislich prall gefüllten Kühltasche, als letzter ein und zitierte jenen berühmten Satz des Schauspielers Müller-Westemhagen: ,,Enno, ich glaub', ich sollte mir noch ,mal den Vergaser zur Brust nehmen." Sprach's und flog unversehens direkt wieder aus dem Bus. Nicht etwa wegen des angesprochenen ,,Klassikerzitats" aus ,Theo gegen den Rest der Welt', sondern unter dem freundlich bestimmten Hinweis der etwa zwei Zentner schweren Bordstewardess <,,Stewardotte" hätte besser gepaßt), daß Kühltaschen wegen ihrer akuten Gefährdung des bordeigenen Getränkeabsatzes nichts im Bus verloren hätten. Nun denn, für ein paar Bierchen, den Barcadi samt Mischcola und den restlichen Inhalt unserer Tasche mußte halt im übrigen Handgepäck Platz geschaffen werden. In militärischem Grundton von Marga <der Stewardotte> schließlich doch noch auf Plätze gewiesen, hieß es ein letztes mal wehmütig winken; Ingridwurde in der Ferne kleiner, unser Bacardi-Durst größer. Insbesondere die erste eingehendere Betrachtung unserer Mitreisenden führte zur kurzentschlossenen Flaschenöffnung. ,,Man muß halt alles mal mitgemacht haben", warum ging mir dieser Satz nur jetzt schon permanent im Kopf herum? ,,Denk' dran, es ist extrem preiswert mit Siebert", sprach Rainer beruhigend auf mich ein und leerte das Glas samt Barcadi und einem Schuß Cola auf einen Zug.. Preiswert war die Fahrt, da hatte er Recht. Die beunruhigende Frage, was man wohl bei einer Reise zum Komplettpreis von ca. 330,- DM an Zimmer- und Hotelkomfort erwarten durfte, konnte ich mit letzter Kraft und einem neuen Barcadi auf den nächsten Morgen verschieben. ,,Positiv denken!", hämmerte ich mir ein. ,,Glückshotel - Roulette" konterte der Pessimist in meinem Hirn. ,,In Llorett herrscht ein solcher Konkurrenzkampf, da kann sich kein Hotel leisten, nicht tip top zu sein" hatte Rainer präventiv gesagt und von gigantischen Frühstücksbüffets geschwärmt. Mein Magen hielt es für angemessen, jetzt die Reiseverpflegung anzubrechen. Essen beruhigt, ein wirklicher Erfahrungssatz, zumindest, wenn mit genügend Alkohol gespült wird. Erster Bushalt - Luxemburg. ,,Ich besorge nur eben eine neue Flasche", grinste Fax und verwies zur Betonung der Dringlichkeit auf die leere Barcadi-Amphore. Daß Rainer bereits ein mittelstarkes Lallen in der Stimme hatte, war mir bis jetzt gar nicht aufgefallen.Unsere zwischenmenschlichen Kontakte zur übrigen Reisegesellschaft waren von einem gewissen gegenseitigen Mißtrauen geprägt, das zu Beginn der Nacht auch unsere Stewardotte erfaßte, die sich offenbar Sorgen um die Sitzpolster und die bordeigene Toilette zu machen begann. Ich beschloß rechtzeitig, den planmäßig angelegten Rausch auszuschlafen und verpaßte prompt den nächsten Halt in Frankreich. Meine unfairen Kollegen hatten sich derweil via Eurocard französische Hamburger zugeeignet und sollten noch am nächsten Morgen von der zu Recht berühmten französischen Küche schwärmen. Zum Glück erwachte ich am nächsten Morgen rechtzeitig, um die erste spanische Attraktion im Siebert-Touristik-Programm mitzuerleben: die zauberhafte Autobahnraststätte direkt vor Llorett de Mar. Wer es nicht selbst miterlebt hat, wird diesen unbeschreiblichen Eindruck wohl nie ganz nachvollziehen können. Etwa hundert Busse entluden tausende von Reisenden, die sich an einem kleinen Imbiß und den zwei Toiletten kultiviert in zweihundert Meter langen Fünferreihen anstellten. Etwa hundert Busse entluden und sanierten ihre bordeigenen Toiletten; in meinem Blut schien der Restalkohol in Bewegung zu geraten. Etwa hundert Busse rangierten in eine überdimensionale Waschanlage. Der Duft von zweihundert Auspufftöpfen wirkte etwas dämpfend auf meinen Kreislauf und das zentrale Nervensystem. Ich betrat das kleine Geschäft an der Tankstelle in der Hoffnung, ein kühles Getränk für meine in der Nacht offenbar zur doppelten Größe angewachsene Zunge erwerben zu können. Leider war das Angebot in diesem Bereich auf lauwarmes Mineralwasser beschränkt. Dafür konnte die Auslage an pornographischen Druckerzeugnissen mit dem konkurrieren, was ich mir unter einem Großhandel für die Sex-Shops auf der Reeperbahn vorstellte. Mein Magen fand keinen Gefallen daran. Ich wankte nach draußen. Etwa hundert Busse hatten sich zum Tanken angestellt. Also noch genügend Zeit, den Raststättenkomfort zu genießen. Welch' glückhafter Tag, oder war es eine Spur von Mitleid? Die Leute ließen mich anstandslos vor ihnen die Toilette betreten. Unser Bus stand einladend, gesäubert und entleert zur Weiterfahrt bereit. Als ich auf meinem Platz angelangt war, fühlte ich mich den Soldaten verbunden, die den gasdurchzogenen Trommelfeuern des ersten großen Krieges entkommen waren. Tief in meinem Innersten war ich mir bewußt, die erste Prüfung, das ,,Freischwimmerzeugnis" der Llorett-Fahrer bestanden zu haben . Ich war kein ,,Greenhorn" mehr. Diese Erkenntnis ließ mir das noch im Dunst liegende Llorett in strahlendem Licht erscheinen. Rainer hantierte neben mir nervös mit einigen Überresten der Alkoholschlacht der letzten Nacht. Er kannte dieses Ankunftserlebnis bereits und war so feinfühlig, meine Ergriffenheit nicht zu stören. Hinter mir brachte Fax mit zitternden Fingern dem jungen Tag das erste Rauchopfer dar.

 

3. Kapitel: Spanien? - Ole!

Das Hotel lag in einer belebten kleinen Geschäftsstraße, die schon bessere Tage gesehen hatte. Aus dem Bus mit. mehr oder weniger freundlichen Worten entlassen, hatten wir es -kofferbepackt - nach kurzem Fußmarsch erreicht. Der Empfang war nicht übermäßig freundlich. Eigentlich wurde uns nur unmißverständlich klar gemacht, daß die Zimmer frühestens in drei Stunden zu beziehen seien. ,,Wohl dem, der jetzt ,ne Heimat hat", schoß mir ein Kempowski-Zitat in den Kopf. Auf dem Weg zu unserem ersten spanischen Kaffee begleitete uns Ede, seines Zeichens kaufmännischer Angestellter aus Köln und mit nur geringem Esprit gesegnet. Eigentlich hieß er Dieter, doch Rainer bestand intern auf der kürzeren und seiner Auffassung nach besser passenden Nennung. Ganz unrecht hatte er nicht. Ede kämpfte bereits im Cafe mit neuen Eindrücken und dem damit verbundenen Lustgewinn. Mit glücklichem Lächeln verkündete er, seine Vermutung, die lange Blonde trage einen String-Tanga unter'm Kleid, habe sich hundertprozentig bestätigt. Soviel Intelligenz auf einmal verursacht Darmprobleme. Ich mußte dringend ,mal verschwinden. Ah, welche Wohltat! Der Pott war sauber, nicht stinkend, mit Klobrille und sogar abschließbar. Nach Erledigung eines mittelgroßen Geschäftes wurde mir klar, was mich schon beim Betreten dieser Luxuslatrine irritiert hatte: keine Schnur zum Ziehen, kein Knopf zum Abdrücken, kein SpüIkasten mit Hebel - kurz gesagt, ich hatte offenbar ein Entsorgungsproblem. Das einzige, was mir in den suchenden Blick fiel, war ein kleiner Schalter, rechter Hand an der Wand. Der Lichtschalter war es nicht, der saß gegenüber. Ein raffinierter Selbstzerstörungsmechanismus, ersonnen von spanischen Touristenhassern? Es gab nur eine Möglichkeit. entweder das Entsorgungsproblem blieb ungelöst, oder der Schalter war die Lösung. Mit dem sprichwörtlichen Mut und der Tatkraft des Norddeutschen bewegte ich meinen Zeigefinger auf jenen Knopf. Ein Donnern, ein Grollen! Die Erde schien zu beben... und dann ergossen sich Wassermassen mit Hochdruck in die Schüssel unter mir! Mit dem leichten Schritt eines Siegers ging ich zu meinen Gefährten zurück. Kurz darauf verschwand Ede in die Richtung, die ich ihm beschrieben hatte. Als er zurückkam, war er recht wortkarg. ,,Irgendwie merkwürdig, die spanischen Toiletten." meinte er nur, um mich später leise zu fragen, ob ich nur Blase oder auch Darm entleert hätte. ,,Beides, entgegnete ich fröhlich, ,,man weiß ja nie, wann man so einen prima Lokus wiederfindet." ,,Ja, aber da war nix für zum Spülen für zum drücken.. äh," setzte Ede gequält das Gespräch fort. ,,Doch, da war so ein kleiner, offenbar elektrischer, Schalter an der Wand", antwortete ich ihm. ,,Ach," kam es zurück, ,,und ich dachte, das Ding war ne Klingel für die Kellnerin." Fax und mir gelang es nur mit Mühe, Rainer vor dem Erstickungstod zu bewahren. Gegen Mittag war es dann endlich so weit, wir konnten unsere ,,Hotelzimmer beziehen. Der Anblick meines Einzelzimmers nahm mir zunächst den Atem, mündete es doch, was das Fenster anbetraf in einen geschlossenen Schacht in der Mitte des Hauses, der von ganz weit oben nur äußerst wenig Licht hineinließ. Auf den zweiten Blick schien es mir dann doch ganz erträglich, zumal ja noch das Doppelzimmer von Fax und Rainer zur Verfügung stand, das einen Balkon zur Straße besaß. Lediglich die Hellhörigkeit der Unterkunft bereitete mir ein leichtes Unbehagen, wurde ich doch bereits beim Kofferauspacken unfreiwillig mit den Beischlafgewohnheiten meiner Nebenleute bekanntgemacht. Aber Rainers zackige Planung ließ mir wenig Gelegenheit zum Nachdenken. ,,In fünf Minuten in Badeklamotten antreten;" ordnete er begeistert an, ,,ich will jetzt an's Meer!"
 

4. Kapitel: Pretty peaches proudly presented Der Strand

Nun denn, raus aus den Reiskleidern und rein in die Bermudas; schnell noch Handtuch, was zum Lesen und die Sonnenbrille gegriffen und... HALT, beinahe hätte ich das wichtigste vergessen. Wir befanden uns schließlich im Hochsommer in einem Ort am südlichen Mittelmeer und das hieß ungeahnte Gefahr für einen hellhäutigen Norddeutschen. Hier lauerte die Sonne nur darauf, einem wie mir das Fell zu rösten auf daß es später in Streifen herunterfiele. Nachdem ich so sorgfältig wie möglich eine dreifache Ladung Sunblocker auf meinem Alabasterkörper verteilt hatte, wohl wissend, daß der ebenso empfindliche Fax nebenan das Gleiche tat, eilte ich in die Hotelbar, wo wir uns zum gemeinsamen Aufbruch verabredet hatten. Am Strand angekommen, atmete ich auf. Es war nicht halb so überfüllt wie ich es mir vorgestellt hatte. Tatsächlich hatten wir reelle Chancen auf ein Fleckchen Erde, auf dem man sich mitsamt Badelaken niederlassen könnte. ,,Scheiße, hier ist ja gar nichts los!" maulte demgegenüber Rainer. Fluchend ließ er sich im Sand nieder und begann, nach vollbusigen Holländerinnen Ausschau zu halten.  Überhaupt schien das ein wesentlicher Bestandteil jener Faszination zu sein, die Rainer jedes Jahr wieder an ,diesen seltsamen Ort lockte. Ich wurde den Verdacht nicht los, daß es etwas mit der holden Weiblichkeit zu tun hatte. Und die präsentierte sich hier am Strand schon zur genüge. Meine Güte, Übermaß im Angebot tötet halt jeden Appetit, und hier war Übermaß noch ein verniedlichender Ausdruck. Wenn man sich nicht auf die Lektüre des mitgebrachten Buches konzentrierte, gab es kein Entrinnen. Brüste, große, kleine, dicke, dünne, überall in jeder Richtung, jeder Lage. Ich verfluchte das Bedürfnis der Damenwelt, auch dem Busen die Sonnenbräunung angedeihen zu lassen, quälte mich in meinem Buch ein paar Seiten weiter. Doch beim nächsten Blick waren sie wieder da, pretty peaches proudly presents; mit einem entnervten Seufzer stand ich auf und zog Fax mit mir zu einer Strandbar. Rainer wollte dagegen lieber an Ort und Stelle bleiben. Aus ,,strategischen Gründen", wie er sagte, ,,er habe da so ,n bißchen ,was in Peilung". Nun gut, das zweite Bier schmeckte in der Strandbar noch besser als das erste, mein aufgewühltes Sexualempfinden, das mir bei Fortsetzung der Reizüberflutung gnadenlose Impotenz angedroht hatte, beruhigte sich und daß für die Getränke ein Vermögen zu bezahlen sein sollte, wußte ich zu diesem Zeitpunkt ja schließlich noch nicht. Vermögen hin - Brüste her, mein Magen signalisierte Mangelerscheinungen. Der Gedanke an leckere kleine spanische Schweinereien ließ nicht nur mir das Wasser im Munde zusammenlaufen. Fax tat als erster seine Enttäuschung kund: ,,jibbet he noh jet anderes als zich tausend Fritten- und Burgerschuppen?" ,,Klar, die haben hier super Pizza," konterte Rainer. Nun ja, da alle diese südlichen Länder ja wesensverwandt sind und eine schlechte Pizza immer noch dem drohenden Hungertod vorzuziehen war, blieb uns wohl keine andere Wahl. Wir hatten gut daran getan, der Abend sollte es zeigen. Mein neuester Erfahrungssatz für Llorett-Touristen lautete: ohne Essen verträgt man den Alkohol nicht, ohne den man einen Abend in Llorett nicht verträgt!


 

5. Kapitel: Longdrinks und riesige Frühstücksbuffets

Schöne Frauen, schöne Diskotheken, schöne Bars, schöne Männer, schön, einfach wunderschön, so schien man sich hier allgemein zu fühlen. Das waren jetzt schon vier Bierchen, ein halber Liter Sangria und mehrere Brandys, doch bei mir wollte sich dieses Gefühl doch - zum Teufel nochmal nicht einstellen. Vielleicht war es auch gar nicht... ,,Don Pepe, schnell noch mal ,was von Deinem Hochprozentigen. ,,Nur nicht aufgeben", dachte ich mir, ,,ist ja das erste mal". Wenn man nur nicht immer an Geschlechtskrankheiten denken müßte bei diesem Riesenaufmarseh der Potenzstrotzenden Muskelmänner aus Wanne-Eickel und ihrer gepflegten ,,Cup 75 B Begleitungen aus dem Hertierestaurant von Wuppertal. Schon die freundliche und völlig unaufdringliche Werbung für Diskotheken aller Art ließ einem keine Wahl: bei diesem Überangebot an Wahnsinnscocktails zu Wahnsinnspreisen, Topless-boxing und Stripshows jeglicher Variation, Karaooke-Vergnügen für jeden, der nicht singen kann und obendrein noch schriftlicher ,,FickiFicki-Garantie"in ganz bestimmten Discos, von ähnlichen Angeboten ganz zu schweigen, mußte doch auch für uns etwas dabei sein. Wir entschieden uns schließlich für das Angebot: 24,- DM Eintritt, in der Disco dafür alle Mixgetränke frei! ,,Scheint mir am reellsten zu sein, hatte Fax gesagt." ,,Scheinst Dich wohl ein bißchen geirrt zu haben,"entgegnete ich zwei Stunden später nach der fünfzehnten Kostprobe dieser sogenannten ,,Mixgetränke". ,,Na ja, Mixen können die," seufzte mein Kollege,', wie sonst schaffen sie es, drei Sorten Plastikfruchtsirup, Unmengen Zucker, einen Hauch Fusel und ,nen Tropfen Wasser in so einem Glas flüssig zu halten?" Wir einigten uns schließlich auf ,,Schadensbegrenzung , nachdem Fax entdeckt hatte, daß es an einer versteckten Theke auch genießbares Bier gab. Leider gelang es nicht, den Schaden um mehr als zehn Hefe-Kaltschalen zu drücken. Vor dem anschließenden Kater war uns nicht bang'; hatte Rainer nicht von gigantischen Frühstücksbuffets geschwärmt - die würden's schon richten.... Nun gut, kein Buffet, aber immerhin ein Sitzplatz mit Bedienung. Ein trockenes Brötchen, ,ne Spur Fett und bittere Orangenmarmelade hat ja auch noch niemandem geschadet, dachte ich im Stillen. Wenn da nur nicht das üppige Wurstangebot gewesen wäre. Diese knallrot und fettig daliegenden Scheiben brachten meinen Magen schon beim Hinsehen in Wallung. ,,Ich mag Wurst, wenn sie schwitzt," woher kam bloß dieser Satz? Nun gut, Hauptsache Kaffe... und Orangensaft gibt's noch dazu! Kurz angesetzt und runter damit. Oh Gott, da war er wieder, exakt der ,,Cocktail-Geschmack" des letzten Abends. Die Zunge schien unbeweglich am Gaumen festgeklebt, der Magen stöhnte unter der Zuckerlast. Bei genauerem Hinhören war es allerdings Fax, der für das Stöhnen verantwortlich zeichnete: ich glaub', das mit dem Frühstück können wir abhaken!" Er hatte nicht ganz unrecht. Aber nüchtern an den Strand ist ja bekanntlich viel gesünder. Also hurtig die Badesachen geschnürt, Sunblocker drauf und los!
 

6. Kapitel: Der Pyjama

,,Scheint ,was mehr los zu sein heute," Rainers hoffnungsfrohe Ansage ließ mich innerlich erschauern. Stimmt, zwischen all' diesen kokosöldampfenden Leibern fanden wir nach langem Suchen doch noch ein lauschiges Plätzchen direkt am Abwasserkanal. Wenn man vom Geruch und der Enge absah, hatten wir es noch ganz gut erwischt. Schließlich mußten viele Nachtschwärmer, die nach uns - und damit eindeutig zu spät - am Strand erschienen, das geplante Sonnenbad aus Platzgründen im Stehen absolvieren. Wieder lernte ich etwas über Llorett-Profis dazu: ein echter ,,Llorettaner" läßt sich auch wenn's derartig voll ist nicht vom "beach-live" abhalten - und wenn's auch nur zum Sonnenbrand auf der Pläät reicht! ,,Schaut ,mal, sind das da drüben nicht die süßen Holländerinnen, die ich neulich schon in Peilung hatte?" ließ sich Freund Rainer vernehmen. ,,Ich glaub', ich hab tatsächlich meine Sonnenbrille vergessen," antwortete Fax, sprach's und verschwand. Merkwürdig, war ich mir doch sicher gewesen, daß er sie auf dem Hinweg noch auf der Nase trug. Nun denn, ,,nein, ich glaub', das sind sie nicht," beantwortete ich Rainers Frage in der Hoffnung, mir damit Luft zu verschaffen. ,,Egal, jedenfalls scheinen die sich mit der Luftmatratze zum Wasser aufzumachen", entgegnete Rainer, um gleich darauf mit leuchtenden Augen mitzuteilen, er kenne diesbezüglich ein ,,super Spiel"! ,,Es heißt: ,,Mädchen-von-der-Luftmatratze-schmeißen!" Mein Hirn begann zu rotieren. Jetzt bloß einen Ausweg finden. Rainer nicht vergrätzen; trotzdem keine ,,Mädchen-vonLuftmatratze-schmeißen-Spiele" mitmachen müssen und dafür eine vernünftige Erklärung?! Ich verfluchte Faxel - der hatte es natürlich wieder mal kommen sehen. ,,Äh, tja - Superspiel - nur -eh - ich muß mal gerade für kleine Königstiger!"Ich gebe ja zu - nicht gerade ein genialer Einfall - aber ich sah Rainer, keineswegs weniger vergnügt, allein im Sauseschritt in Richtung Wasserlinie eilen. Mein Magen signalisierte, daß er nach dem Frühstücksausfall nicht bereit sei, auch noch auf das Mittagessen zu verzichten - also auf zu dieser pesetenschluckenden Strandbar. ,,Na endlich, hab' mich schon gewundert, wo Du so lange bleibst!", begrüßte mich daselbst Kollege Faxel, der sich in einem der Korbstühle lümmelte und eben im Begriff war, die zweite Cerveza <das spanische Wort für Hefekaltschale) in Angriff zu nehmen. Nachdem auch ich mich gestärkt hatte, kehrten wir zu Rainer, dem Schrecken der Llorettinischen Luftmatratzen-Seglerinnen zurück. ,,Mich wundert eigentlich, daß wir Freund Ede heute noch gar nicht am Hals haben" begrüßte er uns. Mein Blick war derweil in die Ferne gewandert. Irgend etwas fesselte meine Aufmerksamkeit. Es war noch einige hundert Meter weg und bunt - so Richtung Iilalquietschgrün - und es war offenbar ein Mensch. Faxel fand als erster die Sprache wieder:"nun schau. sich einer den Ede an, geht der doch glatt im Pyjama an den Strand!" Irgendwie hatte er Recht, dieses Ding, in dem unsere Reisebekanntschaft da steckte, erinnerte am ehesten an einen Sommerschlafanzug aus der Herrenabteilung bei Woolworth. ,,Na, wie findet Ihr meinen super-Strandanzug? Habe ich mir extra noch in Solingen besorgt; nicht billig das Teil!" - Ede ließ sich neben uns in den Sand fallen. ,,Ich geh' ins Wasser." Rainer stürmte davon. Fax schnarchte so laut, wie es nur hellwache Menschen tun, und ich hatte den Salat! Einem gemütlichen Small-talk allein mit Ede ausgeliefert zu sein ließ mich innerlich erschauern. Doch Rettung nahte! ,,Ist das da hinten nicht die Blonde von neulich, die mit dem Tanga?" proletete ich und wies in Richtung anderes Ende des Strandes. ,,Ich wollte sowieso noch ,was weiter gucken" kam es prompt von meinem gegenüber und Ede verschwand wie er gekommen war. Ein Wasserschwall von hinten jagte mir erneut eine Gänsehaut über den Rücken. Umsehen brauchte ich mich erst gar nicht, um zu wissen von wem der stammte. ,,Morgen brauchen wir unbedingt auch diese Pump-gun-Wasserpistolen!" dröhnte Rainer, ,,die haben hier alle und ich kenne ein paar prima Spielchen mit den Dingern."
 

7. Kapitel: Die kleine Taverne

Chronistenpflicht ist Vollständigkeit, doch auch einem jungen Schriftsteller muß Schonung seiner Leser gestattet sein. Und alles zu berichten, was sechs Tage Llorett de Mar ausmacht, könnte den zarteren Gemütern unter der geneigten Leserschaft den Nachtschlaf auf unabsehbare Zeit rauben. Behalten wir uns also den Nahkampf von Versicherungskaufmann und Hertieverkäuferin in Hot-Pants genauso für einen Fortsetzungsroman vor, wie den Faxelschen Versuch, Rainer davon zu überzeugen, daß es im Hinblick auf die Damenwelt zweckmäßigere Herrenunterbekleidung gebe als Schiesser's Feinripp - oder war das gar Rainers ultimative Selbstrückversicherung, um nicht im entscheidenden Moment im spanischen Sündenpfuhl unterzugehen? Eine Art unterwärtige Notbremse also? Beschränken wir uns also auf das Wesentliche. Aber was war wesentlich? So ganz traute ich mir die Beantwortung dieser Frage auch nach drei Tagen Llorett immer noch nicht zu. Vielleicht waren es diese inneren Selbstzweifel' die mir das klitzekleine Tavernenschild in einer schummrigen Seitenstraße wie die Leuchttafel der Heilsarmee erscheinen ließ. Ich zog Faxel mit hinein. Rainer hatte sich bereits vorher in Richtung Disco abgeseilt. Eine kleine Theke, der Geruch Original-spanischen Essens gemischt mit Zigarrenqualm und Brandydunst - das schien tatsächlich eine spanische Kneipe zu sein. Und das in einem Ort, der das Multikulturelle soweit gebracht hatte, daß es zwar für Engländer, Holländer und Deutsche eigene Stadtviertel gab, in dem aber für ein Einheimischenviertel offenbar kein Platz geblieben war. Richtiger müßte man in Llorett also von ,,Stadtdritteln" sprechen. ,,Die Sangria hat's in sich", warnte Fax und leerte das dritte Glas in einem Zug. Recht hatte er; genau die richtige Mischung aus einem guten, schweren Rotwein, starkem Brandy und Früchten! Die Spanier beäugten uns wohlwollend. Mußten sie doch annehmen, daß bei diesen beiden Touris irgend etwas durchgeknallt sein müßte, daß die sich abseits all der Superattraktionen tatsächlich in eine so kleine und gemütliche Kneipe verirrten und sich offenbar noch wohl dabei fühlten. Lag es an den köstlichen Fleischspießen mit Knoblauchsoße, die der alte Padre auf seinem Holzkohlegrill für uns gezaubert hatte oder doch an der halben Flasche Brandy' die wir uns mittlerweile injiziert hatten? Jedenfalls waren meine depressiv-philosophischen Zweifel, ob ich jemals ein ,,echter" Llorett-Fahrer werden würde wie weggeblasen. Beschwingt und leise schmutzige Lieder singend machten wir uns auf den Heimweg zum Hotel.
 

8. Kapitel: Düsseldorfer Mäd'che

,,Kommt Ihr aus Deutschland?". War es das Delirium tremens oder wo kam dieses zauberhafte zarte weibliche Stimmchen her? Das auch in der weiblichen Stimme ein leichtes Lallen mitschwang, nahm mein umnebeltes Hirn nicht mehr wahr. ,,Alles gute kommt von oben,"sagte Fax und wies auf eine blonde junge Dame auf einem Balkon über uns. ,,Warum kommt Ihr nicht einfach rauf, ich bin so traurig?" säuselte das nette Geschöpf, nachdem wir uns in aller Kürze vorgestellt hatten. ,,Scheiße, ich glaub wir finden den Eingang zu diesem' Appartementbunker heute nicht mehr," grunzte Fax nach einer viertelstündigen Suche. Leider war die Blondine auch nicht mehr auf dem Balkon. ,,wohl besser so" dachte ich im Stillen, während wir nach hause wankten. Im Hotel gelang es uns bei Pedro an der Bar zum Glück noch, ein Dutzend Bierdosen für die Nacht zu erwerben. Mit denen setzten wir uns auf den Balkon und harrten der Dinge und Rainer, die da kommen sollten. Nach sechs Dosen kam er, energiegeladen und zufrieden wie immer in diesem wundersamen Ort. Zwischen Fax und mir war seit Rainers Eintreffen kein Wort gewechselt worden. Es gab keine Absprachen, ich glaube nicht einmal Blickkontakt. Dennoch fing einer einfach an und der andere sprang auf den einmal in Bewegung gesetzten Zug auf. Dabei hatte Rainer uns wirklich nichts getan. ,,Du hattest Recht!" sagte Fax. Rainer sah ihn fragend an. ,,Stimmt, Du hattest wirklich Recht und wir waren bloß Ignoranten," setzte ich hinzu. ,,Was soll das heißen, ich hatte Recht? Fragte Rainer. ,,Na, daß Llorett wirklich spitze ist und daß man hier Sachen erlebt wie nirgends sonst," trompetete Fax. ,,Aha," Rainer wirkte irgendwie verunsichert. ,,Ja, vor allem das mit den Frauen, das stimmt ja wirklich - die sind hier gaaaanz anders als zuhause." ,,Was soll der Mist, Tom?". ,,Na ja, ich hätte auch nicht gedacht, daß mich ,mal ,ne wildfremde Blondine von der Straße reinholt und dann die Post abgeht" mischte sich Fax wieder ein. ,,Red' keinen Müll" ächzte Rainer. ,,Ist leider wahr," ergänzte ich, ,,hatte ich bis jetzt auch nur in schlechten Filmen gesehen " ,ne Frau mit zwei wildfremden Männern..." Rainer schien mir etwas bleich geworden zu sein. ,,Ich glaube euch kein Wort", entgegnete er. Ich wußte plötzlich, was ihm den Rest geben würde. ,,Ist auch besser so, vergiß es einfach," sagte ich scheinheilig. ,,Das was Ihr da andeutet gibt's ja gar nicht und Ihr würdet das sowieso nicht machen?" Rainer war eindeutig auf dem Rückzug. ,,Bleib ruhig dabei - aber wenn Du meiner Freundin auch nur einen Ton von unserem kleinen Ausrutscher in die Damenwelt hier erzählst, bring ich Dich um," fuhr Fax ihn an. Das saß. Rainer meinte, er sei plötzlich so müde, sah uns sorgenvoll an und legte sich ins Bett. Am nächsten Morgen sah er irgendwie noch sorgenvoller aus. Auch schien er kaum geschlafen zu haben. Offenbar hatte er sich mit furchtbarsten Selbstvorwürfen gequält. Schließlich hatte er uns hier hingebracht, uns, die wir doch beide zuhause in ,,festen Händen" waren. Und nun schienen wir am einzigen Abend, an dem er seine Aufsichtspflicht als Llorett-Profi vernachlässigt hatte, in schlimmste sexuelle Perversionen abgeglitten zu sein. Er sah sich vermutlich schon von zwei Frauen in Bonn rückwärts an eine Wand genagelt. Bei Fax brach das Mitleid als erstem durch: ,,Mach Dir keine Sorgen mehr, wir waren einfach zu breit, um die Eingangstür zu finden." Rainer fand das erste mal an diesem Tag zu einem erleichterten Lächeln zurück. ,,Aber hätten wir die gefunden, dann hätten wir bestimmt voll zugeschlagen!" hustete ich den Restalkohol aus. ,,Bestimmt!" beendete Fax das Gespräch.

 

9. Kapitel: Protein

Ein ganz normaler Strandtag. Brüste, Kokosmilch, Bier zum Überleben und Badespaß. Da läßt der Mittagshunger nicht lang auf sich warten. Wieder ein Glücksgriff! Ein spanisches Restaurant, diesmal wirklich mitten in der Stadt und mit einem Traumangebot an gebratenen Fischen aller Art. Fax und ich traten als erste an die Auslage heran. Mit Händen und Füßen hatte man sich über die Bestellformalitäten schnell verständigt. Daß Rainer noch etwas abseits stand, fiel mir zu diesem Zeitpunkt gar nicht auf. Man brauchte nur auf einen der Fische zu zeigen, um einen Teller voll davon zu bestellen. Fax und ich entschieden uns für zwei besonders lecker aussehende Sorten. Sprachlos sahen wir sodann Rainers Bestellung zu. Er zeigte auf diesen und auf jenen, dann auf den kleinen, dann auf den großen. ,,Du kennst doch Rainer, der hat eben einen gesegneten Appetit" murmelte Fax und nahm an einem der Tische Platz. Kurze Zeit später kamen zwei Teller voller gebratener Fische für Fax und mich. Rainer betrachtete sie erstaunt. Derweil herrschte am Thekenbereich und in der Küche große Hektik. Es wurden frische Teller bereit gestellt. Ein zweiter Ofen wurde rasch angeheizt. Nahezu alle Fische wurden aus der Auslage geholt und für das Servieren vorbereitet. Derweil telefonierte Don Pedro noch schnell mit dem Großmarkt. Auch wenn ich des Spanischen nicht mächtig bin, muß es frei übersetzt etwa so gelautet haben: ,,Ja, Grüß Dich Pepe, Pedro hier. Hör zu, ich brauch' mehr Fisch, viel Fisch, ich hab hier ,nen Germanen, wenn ich den richtig anpacke, kauft der den ganzen Laden auf. Rainer schien ,,aber etwas nachzugrübeln. ,,Habt ihr auf soviele Fische gezeigt?"fragte er und wies auf unsere beiden Teller. ,,Nur auf zwei verschiedene, für je einen Teller,"antwortete Fax. Rainer's ersticktes: "Und ich hab gedacht, man muß auf jeden Fisch, den man...." wurde vom Klirren des schwerbeladenen Kellners übertönt. Fische, wohin man sah. Knusprig zubereitete Fische, große kleine - lachende, weinende, mal kross mal gedünstet - sie fanden kaum Platz auf dem Tisch. ,,Bueno Appetido"salutierte der Wirt. Rainer begann schweigend zu essen. ,,Halt Dich ruhig ran, da ist ja bekanntlich jede Menge Eiweiß drin in so Fisch" meinte Fax. ,,Und Eiweiß wirkt ja bekanntlich außerordentlich positiv auf das, wovon ein Mann hier in Llorett gar nicht genug haben kann," setzte ich hinzu. ,,Das zahl' ich Euch heim," mampfte Rainer. ,,Wieso uns, wir haben doch gar nix gemacht? fragte Fax. Wer hätte gedacht, daß sich das Sprichwort: ,,Wer den Schaden hat...." noch am heutigen Tage gegen uns kehren sollte. Uns hatte es schließlich geschmeckt; Rainer hatte den ganzen restlichen Tag am Strand mit Verdauen verbracht und schien auch nicht mehr zu grollen. Ja er war sogar bereit, am Abend wieder in dieses Lokal zu gehen, allerdings mit vorsichtigerer Bestelltaktik. Fax und ich begaben uns wieder als erste an die Auslage. Diesmal fiel uns neben Fisch eine Reihe von Fleischeintöpfen ins Auge, die pikant und lecker aussahen. Ohne lang zu überlegen hatten wir direkt zwei Portionen und einen Liter Sangria geordert. An der Sangria gab es nichts auszusetzen. Und jetzt das Fleisch gekostet. Irgendwie war die Konsistenz merkwürdig! und erst dieser Nachgeschmack. Der Bissen wollte einfach nicht hinunter. Ein Blick in Faxels schreckgeweitete Augen zeigte mir, daß er mit der gleichen Katastrophe kämpfte. Beide griffen wir nach der Karaffe. Ein zweiter Liter brachte erste Abhilfe. Rainer lag unter dem Tisch; er zuckte wild in Lachkrämpfen. ,,Niente geschmecket?" fragte der Wirt beim Abräumen der noch vollen Teller. Es klang irgendwie scheinheilig. ,,Meine Kollegen mögen jetzt doch keine Mixtur aus Pansen und Darmzotten in Knoblauchsauce mehr," antwortete Rainer für uns. Mir war mehr nach Schweigen zumute.

 

10. Kapitel: Ausblick

Irgendwie war sie vorbeigegangen, diese Wahnsinnswoche. Rainer hatte nicht übertrieben. Bis jetzt hatte ich stets insgeheim bereut, nicht bei der Bundeswehr gewesen zu sein. Jetzt war ich ein Mann! Ich hatte es geschafft, mich durchgebissen und eine Grundausbildung durchlaufen, die kein Einzelkämpfer im Bayrischen Wald je finden wird. Wir hatten menschliche Abgründe gesehen -etwa den Schlund jenes Bayern, der im englischen Hard-Rock-Cafe von Llorett den Wettbewerb ,,wem kann der Kellner am längsten aus einer Stielkaraffe lauwarmes Bier in den Hals gießen, ohne daß es zu den Ohren wieder herauskommt" gewann. Wir hatten kulturelle Höhepunkte miterleben dürfen, als Hans-Peter aus Castrop-Rauxel und der dem frenetischem Beifall seiner Kegelbrüder in der Karaoke-Disco ,,Let it be" quietschte, ohne selbst endlich mit dem Singen aufzuhören. Und irgendwie tat mir die Leber weh.Keiner von uns konnte sich erklären, warum einer der Mitreisenden aus Nippes-Ehrenfeld, angeblich doch selbst Llorett-Profi seit Jahren, am Busbahnhof vor Fax bleich zurückwich und andächtig zu seiner Frau hinüberraunte: ,,da kommt er wieder, Barcadi-Joe!". Nun, wir haben es überstanden. Rainer ist immer noch mit Ingrid zusammen. Den Job beim Max-Planck-lnstitut hat er inzwischen gegen eine besser dotierte andere Stellung eingetauscht. Casch hat inzwischen in Leipzig eine wirklich nette Sächsin kennengelernt, Die Wohngemeinschaft der ,,Ürziger Fünf" ist aufgelöst, denn Fax hat die Liebe nach Aachen gezogen. Nur der blonde Norddeutsche ist in der alten Wohnung verblieben. Was die Juristerei betrifft, so haben beide den Weg durch's zweite Examen und in das harte Berufsleben gefunden. Und wer weiß, ob das so gut geklappt hätte, wäre da nicht ,,Siebert's Trip to hell", der Wahnsinnsurlaub in Llorett gewesen?
Kürzlich auf einer biertrunkenen Fete beendete schließlich auch Rainer seine nunmehr zwei Jahre andauernde Selbstkasteiung: ,,Wißt Ihr was, Ich finde, wir sollten einfach alle' ,mal zusammen nach

The end